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Zu diesem BuchWalter Bruno Iltz kommt in der Theaterforschung so gut wie gar nicht vor. Niemand hat sich bisher um ihn gekümmert, keiner hat sich für ihn interessiert. Er galt als Nazi-Direktor eines »Kraft durch Freude«-Theaters in Wien, von den Nationalsozialisten eingesetzt, davor war er zehn Jahre lang Generalintendant in Düsseldorf. Was konnte er da anderes sein als ein willfähriger Parteigünstling? Nur selten wurde von seinem Mut gesprochen, seiner Humanität, seinem Widerstand. Der Komponist Kurt Weill schätzte seine »persönliche Überzeugung und Courage«, der Schauspieler O. W. Fischer nannte sein Theater »die sicherste Burg demokratischen Freiheitsgeistes« und die Schauspielerin Trude Havel schrieb ihm: »Ich habe und werde es nie vergessen, daß Sie, in diesem unseligen Regime, der Erste waren, der mir als Mensch und Herr entgegengetreten ist und keinen Anstoß daran genommen hat, daß ich die Frau eines ›rassisch Geächteten‹ war.« Für Judith Holzmeister war er »ein ganz feiner Mann«, Dorothea Neff, die im Krieg eine Jüdin bei sich versteckte, nannte Iltz »sauber und unparteiisch« und der Regisseur Gustav Manker sagte: »Er war kein Nazi, er war ein toller Bursch«. Inge Konradi forderte sogar: »Man müsste ihn eigentlich auf ein Podesterl stellen, denn er war der Lebensretter des Volkstheaters. Sein persönlicher Mut besitzt Seltenheitswert!« Schon vor Hitlers Machtergreifung war Iltz bei den Nationalsozialisten verhasst. Wegen seines »undeutschen« Spielplans, wegen der Juden und Kommunisten in seinem Ensemble, wegen seiner Vorliebe für avantgardistische Musik. Iltz verteidigte die jüdischen Künstler an seinem Theater, listete in einem Brief an die NSDAP sogar das Verdienst von Juden bei der Mitarbeit an Opern auf, die von den Deutschen geliebt wurden. Und zum fünfzigsten Todestag von Richard Wagner ließ er gegen den wütenden Protest der Nationalsozialisten gar einen jüdischen Dirigenten die Feierstunde dirigieren. Nach Hitlers Machtergreifung drängte die Düsseldorfer NSDAP Hermann Göring, Iltz sofort zu entlassen, da sich dessen Theater »durch die Bevorzugung von Juden und Kommunisten« ausgezeichnet habe. Als Göring ablehnte, stellte man Iltz einen Aufpasser zur Seite, beschnitt seine Kompetenzen und machte ihm das Leben am Düsseldorfer Theater zur Hölle. So gelangte Iltz 1938 nach Wien, ans Deutsche Volkstheater, dem ersten »Kraft durch Freude« –Theater im Reich und der größten Bühne im deutschen Sprachraum. Auch hier behütete er Ensemble und Spielplan, wehrte den Zwang, Propagandastücke zu spielen, so gut er konnte, ab, beschützte regimekritische Künstler und tolerierte einen widerständigen Künstlerkreis an seinem Theater. Er engagierte einen Kommunisten als Oberspielleiter und duldete unter dessen Regie sogar systemkritische Aufführungen auf seiner Bühne. Nach dem Krieg wurde Iltz als Nazi denunziert, er strengte ein Verfahren vor der Spruchkammer in Nürnberg an. Es endete mit der Feststellung, dass er »niemals mit der Partei sympathisiert« hatte. Die Entnazifizierungskommission fällte ein klares Urteil: »In der Judenfrage nahm Iltz eine mutige Haltung ein.« Walter Bruno Iltz ist also in Wahrheit ein heimlicher Held gewesen. Man kann es anders nicht sagen. Und das ist selten, gerade bei Theaterleuten, speziell im Dritten Reich. Opportunismus ist jedes Schauspielers heimlicher Vorname. Umso erstaunlicher, dass es einen wie Iltz gegeben hat. Aber noch erstaunlicher, dass sich bisher niemand dafür interessiert hat. Nach intensiver Suche habe ich Im Frühjahr 2011 in einem kleinen Haus an einem bayerischen See seinen Nachlass gefunden, der aus hunderten Briefen, Dokumenten, Photos und Erinnerungen besteht, akribisch geordnet. Die Geschichte ist abenteuerlich und wird am Ende dieses Buches erzählt. In Archiven in Wien, Berlin, Düsseldorf, Nürnberg, München und New York wurden weitere Zeugnisse gefunden, die Iltz rehabilitieren. Mit dieser Dokumentation soll Walter Bruno Iltz auf die Bühne der Theatergeschichte zurückkehren. Paulus Manker, Frühjahr 2014 |